Namensbeitrag im IPG Journal vom 27.07.2018: „Klimaveränderung – Die EU sollte ihre Klimadiplomatie ausbauen, um den Multilateralismus zu retten“

Der Europa-Besuch Donald Trumps im Juli 2018 hat einmal mehr deutlich gemacht, wie tief die Gräben zwischen den transatlantischen Partnern inzwischen sind. Eine sichere Fortführung der Beziehungen zwischen den USA und Europa ­– bei allen Schwierigkeiten und Konflikten, die sie durchlebt haben – war bislang nie ernsthaft angezweifelt worden. Seitdem Trump 2016 zum Präsidenten der USA gewählt wurde, hat sich das Klima verändert. Nichts scheint mehr sicher.

Diese Entwicklung ist symptomatisch für eine globale Tendenz im Multilateralismus des 20. und jungen 21. Jahrhunderts. Wo gerade in den 1990er Jahren nach dem Zerfall des sozialistischen Blocks noch hoffnungsvoll auf die Festigung und Weiterentwicklung des multilateralen Systems geblickt wurde, entpuppt sich diese Einschätzung als Hoffnungsschimmer der Vergangenheit. Die zunehmende Ablehnung und Zersetzung liberaler Demokratien, die Rückbesinnung auf nationale Grenzen, Abschottungspolitik und auf außen- und handelspolitische Alleingänge einzelner Staaten nehmen dramatisch zu. Neben den USA oder der Türkei gilt das auch für Russland – wobei diese Politik hier zumindest weniger überraschend erscheinen mag.

Von einem der größten Erfolge multilateraler Kooperation könnten die Klimaverhandlungen im Rahmen der jährlichen UN-Klimakonferenzen nun zu einer letzten Bastion des Multilateralismus werden.

Auch innerhalb der Europäischen Union ist diese Entwicklung angekommen. Einzelne Mitgliedstaaten wie insbesondere Polen und Ungarn schicken sich verstärkt an, den Gemeinschaftsgedanken der Union außen vor zu lassen, um ihre nationalen Interessen zu verfolgen. Gerade bei der Migrations- und Flüchtlingspolitik aber auch im Abbau von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit sowie an der Einschränkung der Zivilgesellschaft wird dies deutlich.

Besonders bedenklich ist die Re-Nationalisierung der Weltordnung auch deshalb, weil gerade in jüngster Vergangenheit offensichtlich wurde, wie weit die globalen Interdependenzen vorangeschritten sind. Ein prominentes Beispiel ist die Finanzkrise von 2008. Dazu kommen diverse regionale Konflikte, deren Schallwellen deutlich weiter als an nationale Grenzen reichen und an denen weit mehr als zwei Staaten beteiligt sind.

Neben den weltweiten Krisen und Konflikten gibt es Herausforderungen, die in ihrer Natur im wahrsten Sinne des Wortes ebenfalls global sind. Dazu gehört der Klimawandel, der in den vergangenen Jahren in weiten Teilen der Welt immer spürbarer wurde und inzwischen auch wesentlich deutlicher als zuvor Europa und die USA mit Waldbränden, Hurrikanen und Überschwemmungen erreicht hat. Die Auswirkungen der Erderwärmung sind historisch zu großen Teilen durch die Industrienationen zu verantworten. Sie wirken aber am verheerendsten in Regionen, die am wenigsten zu ihr beigetragen haben. Fatal ist, wenn in der internationalen Politikarena weiterhin Stimmen vorrangig mit wirtschaftlichen Erwägungen argumentieren oder den Klimawandel sogar leugnen. Ihr prominentester Vertreter ist der US-Präsident Trump.

Dort, wo Staatsoberhäupter ausfallen, haben lokale Akteure erkannt, dass sie im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels keine Zeit verlieren dürfen. Die lokale Ebene setzt damit neue Impulse und wird in vielen Regionen zur entscheidenden Handlungsplattform.

Das ist insofern bedauerlich, als dass der Abschluss des Pariser Klima-Abkommens im Jahr 2015 einen Meilenstein in der internationalen Bekämpfung des Klimawandels darstellte. Nie zuvor hatten sich so viele Staaten auf Zusagen in der Klimapolitik einigen können. Das Klimaabkommen wurde vielerorts als Erfolg des Multilateralismus gefeiert und stimmte optimistisch, dass nun weltweit koordinierte konkrete Schritte gegen die Auswirkungen des Klimawandels und für dessen Eindämmung unternommen werden könnten.

Nun sieht es so aus, als würde sich die Rolle, die die internationalen Klimaverhandlungen im Kontext einer multilateralen Weltordnung einnehmen, grundlegend neu konfigurieren. Von einem der größten Erfolge multilateraler Kooperation, also einem Produkt einer multilateralen Weltordnung, könnten die Klimaverhandlungen im Rahmen der jährlichen UN-Klimakonferenzen nun zu einer letzten Bastion des Multilateralismus werden – und damit letztlich zu dessen Erhalterin. In allen anderen großen globalen Fragen ist die Staatengemeinschaft fragmentiert wie nie zuvor in der jüngsten Geschichte. Handelspolitik, Migrationspolitik, selbst Verstöße gegen das Völkerrecht wie im Falle der russischen Annexion der Krim vermögen es nicht mehr, einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu schaffen.

Der Klimawandel aber betrifft alle. Damit könnten künftige Klimakonferenzen das Potential haben, nicht nur Verhandlungspartner an einen Tisch zu bringen, die sonst kaum denselben Raum betreten würden, sondern auch eine Neuordnung der globalen Netzwerke zu stimulieren, die sich von der Ebene der Staats- und Regierungschefs weg, hin zu informelleren und lokalen und regionalen Netzwerken wie dem Covenant of Mayors orientiert. Dort, wo Staatsoberhäupter ausfallen, haben lokale Akteure erkannt, dass sie im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels keine Zeit verlieren dürfen. Die lokale Ebene setzt damit neue Impulse und wird in vielen Regionen zur entscheidenden Handlungsplattform.

Die Europäische Union trägt hier eine besondere Verantwortung. Zum einen gehört sie zu den Regionen der Welt mit den höchsten Emissionen und trägt damit maßgeblich zur Erderwärmung bei, während die Auswirkungen des Klimawandels in Europa ­­– bislang – verhältnismäßig moderat ausfielen. Zum anderen kann sie hinter ihrer Stimme eine der größten Wirtschaftskräfte der Welt vereinen und damit maßgeblich Einfluss auf die Verhandlungen und deren Ausgang nehmen. Als internationale normative Kraft funktioniert ihr Selbstverständnis als Wertegemeinschaft – neben dem einer Wirtschaftsunion – gut.

Damit die EU diese Rolle ausfüllen und damit auch ein Stück weit den Ausfall der USA auffangen kann, muss sie aber tatsächlich befähigt sein, bei den UN-Klimaverhandlungen mit einer vereinten europäischen Stimme zu sprechen und weltweit Länder zu unterstützen, ihrerseits die Klimaziele zu erreichen. Hierfür sind der politische Wille der Mitgliedstaaten, aber auch finanziell und personell entsprechend aufgestellte europäische Institutionen unabdingbar. Die Europäische Union muss ihre eigenen Klimaziele umsetzen und ambitioniert in die Zukunft blicken, wenn sie langfristig glaubhaft internationale Klimapolitik gestalten und mit voran bringen will.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, habe ich im vergangenen Jahr im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments einen Initiativbericht zu EU-Klimadiplomatie angeregt, der am 3. Juli 2018 mit einer großen Mehrheit im Plenum verabschiedet wurde. Das Parlament fordert in diesem Bericht unter anderem, die personellen und finanziellen Ressourcen der Europäischen Institutionen für Klimadiplomatie maßgeblich zu stärken, um die Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens weltweit voranzutreiben. Es fordert außerdem, dass die EU ihre eigenen klimapolitischen Ambitionen steigert und letztere integrale Bestandteile aller Politikfelder werden müssen. Hierzu gehören insbesondere Handels-, Entwicklungs-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Mit diesem Bericht verankert das Europaparlament Klimadiplomatie erstmals auf seiner außenpolitischen Agenda und erkennt die globale Dimension des Themas an. Damit setzt es nicht nur als demokratisches Kontrollgremium der EU ein Zeichen dafür, dass europäische Außenpolitik sich verstärkt an der Rolle orientieren muss, die der EU international zugesprochen wird, sondern sieht sich selbst als Impulsgeber der internationalen Klimadiplomatie. In einer Krise des Multilateralismus ist dies eine wichtige und starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft, ganz im Geiste der US-amerikanischen Stimmen, die im Rahmen der letzten UN-Klimakonferenz in Bonn verkündeten: We are still in!

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