Ab heute berät das türkische Parlament über den Entwurf für eine neue Verfassung. Kernelement des von Staatspräsident Erdogan forcierten Projektes ist die Aufwertung des Staatspräsidentenamtes. „Ich kaufe Erdogan das Argument nicht ab, dass ein Präsidialsystem zu mehr Stabilität und effektiverem Umgang mit Sicherheitsrisiken wie dem Terrorismus führen wird“, kommentiert Arne LIETZ, Außen- und Menschenrechtspolitiker im Europaparlament. „De facto ähnelt die Türkei bereits heute einem Präsidialsystem, in dem ein starker Mann an der Spitze den Ton angibt. Das ist Erdogan höchstpersönlich. Meine Befürchtung, die ich mit den türkischen Oppositionsparteien CHP und HDP teile, ist, dass ein Präsidialsystem Erdogans persönliche Macht weiter verfestigen wird. Statt durch Ausnahmezustand und Notstandsdekrete könnte er dann zukünftig seine Macht in einem neuen legalen Rahmen ausüben.“
Zukünftig soll der türkische Staatspräsident nicht nur Staatsoberhaupt sondern gleichzeitig auch Regierungschef sein. Als solcher hätte der Amtsinhaber das Recht, Minister zu ernennen und abzusetzen und das Parlament aufzulösen. Offiziell diene die geplante Verfassungsänderung dem Ziel der Stabilisierung des vom Bürgerkrieg und Terrorismus geplagten Landes. „Ich habe große Zweifel, dass eine verstetigte Ein-Mann-Herrschaft zu mehr Stabilität und Sicherheit führen wird“, so Arne LIETZ. „Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass die Demokratie durch die Verfassungsänderung weiter ausgehöhlt wird, indem sie Erdogan freie Hand bei der Verfolgung von Regierungskritikern ließe.“ Am vergangenen Wochenende haben die türkischen Behörden weitere 6000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes entlassen. Insgesamt wurden in der Türkei seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 über 40.000 Menschen festgenommen und mehr als 100.000 aus dem Staatsdienst entlassen beziehungsweise suspendiert.
Weitere Informationen: Europabüro Arne Lietz in Brüssel +32 2 28 47296, arne.lietz@europarl.europa.eu