Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten,
liebe Leserinnen und Leser,
im ersten Jahr als Europaabgeordneter habe ich die meisten Veranstaltungen zu TTIP zusammen mit den Gewerkschaften, der Friedrich-Ebert-Stiftung und in vielen Ortsvereinen durchgeführt.
In den zahlreichen Diskussionen äußern GesprächspartnerInnen weiterhin ihre Bedenken und hinterfragen das Abkommen, was aus meiner Perspektive völlig berechtig ist. Dieses Abkommen wurde hinter verschlossenen Türen begonnen und erst auf öffentlichen Druck hin, wurden grundlegende Dokumente veröffentlicht.
Es ist gut, dass die Handelspolitik stärker in den Fokus gerückt ist, da auch wir uns im Europäischen Parlament die Frage stellen, wie fairer und gerechter Handel in einer globalisierten Welt gestaltet werden soll. Die Handelspolitik und die Verhandlung zum Abkommen werden auf europäischer Ebene entschieden. Ob es ein gemischtes Abkommen sein wird, womit der Bundestag über TTIP entscheiden würde, ist noch nicht endgültig entschieden.
TTIP wird seit 2013 verhandelt und es gibt noch keinen endgültigen Vertragstext über den das Europäische Parlament abstimmen kann. Nichtsdestotrotz hat das Parlament auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause eine Resolution verabschiedet, die ein starkes Signal an die Europäische Kommission für die weiteren Verhandlungen ist. Die Resolution nimmt die roten Linien des Parteikonvents (Beschluss Herbst 2014) und der Gewerkschaften auf.
Für unsere exportorientierte Wirtschaft und die davon abhängenden Arbeitsplätze sind internationale Handelsabkommen von großer Bedeutung. Die Weltwirtschaft braucht verlässliche Regeln. Wir wollen globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse im gegenseitigen Interesse voran bringen.
Viele technische Standards in den USA und der EU unterscheiden sich, obwohl sie einem ähnlichen Zweck dienen, wie z.B. im Automobilbau. Es geht bei TTIP nicht um die Absenkung von Standards, sondern um eine Vereinfachung des Exports, wovon gerade kleine und mittelständische Unternehmen profitieren könnten. Die wichtigsten Punkt der Resolution:
- Transparenz
Es muss ein Höchstmaß an Transparenz hergestellt werden, um eine öffentliche Debatte zu ermöglichen.
- Arbeitnehmerrechte
Arbeitnehmerrechte und Arbeitsstandards, das Recht der Mitbestimmung und der Tarifautonomie dürfen nicht in Frage gestellt werden. Das heißt: Nationale Gesetze oder Vorschriften eines EU-Mitgliedsstaates für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, die Vorschriften über Lohnverhandlungen, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge bleiben unberührt. Schmutzigen Wettbewerb durch Lohndumping wollen wir nicht. EU-Unternehmen, die in den USA tätig sind, sollen Betriebsräte nach europäischem Vorbild gründen dürfen.
- Daseinsvorsorge
Der Marktzugang wird nur nach dem „positiv“-Listenansatz erlaubt, d.h. nur Dienstleistungen, die explizit aufgelistet sind, können für ausländische Anbieter geöffnet werden. Die Daseinsvorsorge im allgemeinen öffentlichen Interesse (bspw. kommunale Wasser- und Stromversorgung, soziale Dienste etc.) darf nicht gefährdet und soll von den Verhandlungen ausgenommen werden. Kommunen und Länder sollen jederzeit die Möglichkeit haben, die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen nach ihren Interessen zu gestalten und Privatisierungen wieder rückgängig zu machen. Einen direkten oder indirekten Zwang zu Privatisierungen wird es mit uns nicht geben.
- Kulturelle Vielfalt und audiovisuelle Dienstleistungen
Audiovisuelle Dienstleistungen wie bspw. Hörfunk oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen, was bereits im Verhandlungsmandat niedergelegt wurde. Die Resolution betont die UNSECO-Konvention zur Förderung und zum Schutz der kulturellen Vielfalt und strebt deren wirksame Verankerung im Vertragstext an. Die deutsche Kulturförderung von öffentlichen Theatern, Museen etc. wird von TTIP nicht berührt. Die Buchpreisbindung darf nicht angetastet werden.
- Umwelt- und Verbraucherschutz
Das Abkommen soll die Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit nicht beeinträchtigen oder gefährden. Das Abkommen soll darauf hinwirken, dass diese Standards anerkannt, ggf. verbessert und in Einklang mit den Rechtsvorschriften der EU gebracht werden. Eine Absenkung der europäischen Standards wird es mit uns Sozialdemokraten nicht geben!
- Schiedsgerichte / ISDS
Intransparente und privaten Schiedsstellen (ISDS – Investor-State Dispute Settlement) werden von den europäischen Sozialdemokraten abgelehnt. Sie sind zwischen zwei entwickelten Rechtssystemen wie der EU und den USA nicht notwendig. Die Rechtsprechung der Gerichte der EU und ihrer Mitgliedsstaaten soll sichergestellt werden und die Ziele des Gemeinwohls nicht durch private Interessen untergraben werden können. Derzeit wird ein demokratischen Grundsätzen entsprechendes neues Modell zum Investorenschutz mit transparenten Verfahren, öffentlich ernannten und unabhängigen BerufsrichterInnen und einer Berufungsinstanz erarbeitet.
Die Ablehnung von intransparenten Schiedsstellen gilt auch für das Handelsabkommen mit Kanada, CETA, das hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde und noch nicht Eingang in das parlamentarische Verfahren gefunden hat. Es muss mindestens in der Frage der Schiedsstellen (ISDS) neu aufgemacht werden.
Die Europäische Kommission hat in ersten Reaktionen bereits ein Eingehen auf die Forderungen des Parlaments angekündigt. Die Verhandlungen werden aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen und es ist sicher, dass über TTIP in diesem Jahr nicht abgestimmt wird.
Ich möchte Ihnen und Euch abschließend versichern, dass es mit den deutschen Sozialdemokraten nur ein TTIP-Abkommen geben wird, das die Forderungen der Resolution aufnimmt.
Zu diesen und weiteren Fragen und Veranstaltungen stehe ich Euch weiterhin gern zur Verfügung. Ich wünsche Euch einen schönen Sommer und freue mich auf die Diskussionen ab Herbst!
Mit europäischen Grüßen
Euer Arne Lietz
Weitere aktuelle Informationen, Gegenüberstellung der Forderung von Parteikonvent und TTIP-Resolution sowie weitere Positionspapiere findet ihr auf der Homepage von Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, auf www.bernd-lange.de